Entgelttransparenz 2026: Neue Pflichten, hohe Risiken – was Unternehmen jetzt tun müssen

Mit der EU-Entgelttransparenzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/970) beginnt für Unternehmen eine neue Ära der Pay Transparency. Der ab 2026 geltende Rechtsrahmen zählt zu den strengsten Regelungen im Bereich Entgeltgleichheit. Er bringt weitreichende Berichtspflichten, neue Auskunftsrechte, eine Beweislastumkehr sowie erhebliche finanzielle Risiken mit sich. Unternehmen müssen ihre HR-, Vergütungs- und Datenschutzstrukturen jetzt umfassend anpassen, um die Anforderungen der Entgelttransparenz rechtzeitig zu erfüllen und Bußgelder zu vermeiden.
 
Unternehmen haben weniger als ein Jahr Zeit,
ihre Entgelt- und Datenschutzstrukturen tiefgreifend anzupassen.
 
Gleichzeitig verpflichtet die Richtlinie Arbeitgeber dazu, ihre Entgeltstrukturen nachvollziehbar offenzulegen, interne Prüfprozesse einzuführen und strukturelle Benachteiligungen systematisch aufzudecken und zu beseitigen. Dadurch entsteht in der EU ein einheitlicher und verbindlicher Rahmen, der die tatsächliche Gleichstellung bei der Vergütung nachhaltig stärkt.
 
Eines ist klar: Unternehmen, die jetzt nicht handeln,
werden ab 2026 vor erheblichen rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Risiken stehen.

Ministerium will die EU-Entgelttransparenzrichtlinie 1:1 umsetzen

Zur fristgerechten Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eine Fachkommission eingesetzt. Diese hat der Bundesgleichstellungsministerin am 7. November 2025 den Abschlussbericht „BÜROKRATIEARME UMSETZUNG DER ENTGELTTRANSPARENZRICHTLINIE“ mit konkreten Vorschlägen für eine wirksame und praxisorientierte Umsetzung vorgelegt. Die Richtlinie muss bis spätestens 7. Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt sein.
 
Der Abschlussbericht enthält konkrete Empfehlungen zur Ausgestaltung der Transparenzinstrumente „Berichtspflicht“ und „Auskunftsanspruch“, zur möglichen Privilegierung tarifgebundener Arbeitgeber sowie zur begleitenden Unterstützung von Unternehmen durch die Bundesregierung. Das BMFSFJ wird diese Empfehlungen prüfen und einen Referentenentwurf erarbeiten.
 
Der deutsche Gesetzgeber wird voraussichtlich das bestehende Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) umfassend überarbeiten und konkretisieren, um die europäischen Vorgaben vollständig umzusetzen, die bestehenden Transparenzpflichten zu erweitern und die Durchsetzung individueller Auskunfts- und Gleichstellungsansprüche durch verbindliche Verfahren und wirksame Sanktionsmechanismen zu stärken. Ziel ist es laut BMFSFJ, das Gesetzgebungsverfahren zu Beginn des Jahres 2026 einzuleiten.

Erhebliche Änderungen der derzeit geltenden Rechtslage

Die Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie in nationales Recht wird umfangreiche Anpassungen und Erweiterungen der derzeit geltenden Rechtslage erfordern.
 
Dazu zählen insbesondere:
  1. Spürbare und abschreckend hohe Bußgelder
    Verstöße gegen die neuen Transparenz- und Berichtspflichten werden künftig mit spürbaren und abschreckend hohen Bußgeldern geahndet. Deren Bemessung orientiert sich an der Schwere des Verstoßes, dem Ausmaß der Benachteiligung sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Ziel ist es, die Einhaltung der Entgeltgleichheit als verbindlichen Bestandteil gelebter Unternehmenspraxis durchzusetzen.
  2. Schadensersatzansprüche
    Beschäftigte haben im Falle einer nachgewiesenen Entgeltbenachteiligung – unter Berücksichtigung der vorgesehenen Beweislastumkehr – Anspruch auf vollständigen materiellen und immateriellen Ausgleich. Unternehmen müssen künftig damit rechnen, dass Betroffene nicht nur Differenzvergütung, sondern auch zusätzliche Entschädigungen für erlittene Nachteile geltend machen. Dies stärkt die individuelle Rechtsdurchsetzung und erhöht das Haftungsrisiko für Arbeitgeber deutlich.
  3. Verpflichtende Offenlegung von Entgeltstrukturen
    Unternehmen sind verpflichtet, geschlechtsbezogene Vergütungsunterschiede offenzulegen, strukturelle Entgeltungleichheiten transparent zu machen und – sofern erforderlich – konkrete Maßnahmen zur Angleichung einzuleiten und zu dokumentieren.
  4. Verbot, Bewerber nach ihrem bisherigen Gehalt zu befragen
    Arbeitgeber dürfen im Einstellungsverfahren keine Angaben zum derzeitigen oder früheren Gehalt eines Bewerbers einholen. Vergütungsentscheidungen müssen sich ausschließlich an den objektiven Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle orientieren.
  5. Information der Bewerber über das Einstiegsgehalt oder die Gehaltsspanne
    Unternehmen müssen zukünftig bereits vor oder spätestens während des Bewerbungsverfahrens transparente Angaben zum Einstiegsgehalt oder zur vorgesehenen Gehaltsspanne machen.
  6. Beweislastumkehr zugunsten der Beschäftigten
    Künftig muss nicht mehr der Betroffene, sondern der Arbeitgeber nachweisen, dass kein Verstoß gegen den Grundsatz der Entgeltgleichheit vorliegt. Dies stärkt die Rechtsposition der Beschäftigten erheblich.
  7. Auskunftsrecht der Beschäftigten
    Beschäftigte haben zukünftig das Recht, auf Anfrage Informationen über das durchschnittliche Entgelt anderer Beschäftigter zu erhalten, die die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit leisten – getrennt nach Geschlecht. Damit wird es deutlich leichter, mögliche Lohnunterschiede zu erkennen.
  8. Pflicht zur Berichterstattung an die Arbeitsaufsichtsbehörde und die Öffentlichkeit
    Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten müssen zukünftig regelmäßig Berichte über die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede innerhalb ihres Betriebs erstellen und veröffentlichen. Je nach Unternehmensgröße erfolgt diese Berichtspflicht alle ein bis drei Jahre.
  9. Gemeinsame Analyse bei Ungleichheiten
    Ergibt die Berichterstattung unbegründete Lohnunterschiede von mehr als 5 Prozent, müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen eine gemeinsame Entgeltbewertung durchführen und Maßnahmen zur Beseitigung ergreifen.
  10. Jährliche Informationspflicht der Arbeitgeber an die Beschäftigten
    Arbeitgeber sind zukünftig dazu verpflichtet, ihre Beschäftigten einmal jährlich über ihr Recht auf Auskunft zu informieren. Dieses Auskunftsrecht umfasst die Möglichkeit, Informationen darüber zu erhalten, wie das eigene Entgelt im Verhältnis zu anderen Beschäftigten in vergleichbarer Position ausgestaltet ist. Die jährliche Information muss außerdem darlegen, welche Schritte ein Arbeitnehmer konkret unternehmen muss, um dieses Recht auszuüben – also zum Beispiel an welche Stelle er sich wenden, in welcher Form (schriftlich, elektronisch) der Antrag gestellt werden und welche Angaben er dabei machen muss.

Ausweitung der Datenschutzanforderungen

Personenbezogene Daten, die im Rahmen der Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie verarbeitet werden, dürfen gemäß Artikel 12 der Richtlinie ausschließlich zur Durchsetzung und Überwachung des Grundsatzes „gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ verarbeitet werden. Hierunter fallen insbesondere personenbezogene Angaben zu Entgelt- und Gehaltsstrukturen, Tätigkeits- und Bewertungsmerkmalen, Berufs- und Funktionsbezeichnungen sowie zum Geschlecht der Beschäftigten.
 
Die Verarbeitung dieser Daten ist ausschließlich in dem Umfang und für den Zeitraum zulässig, der zur Erfüllung der gesetzlich und durch die Richtlinie vorgeschriebenen Transparenz-, Prüf- und Nachweispflichten erforderlich ist. Diese Bestimmung konkretisiert den Grundsatz der Zweckbindung gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. b DS-GVO und beschränkt die Verarbeitung personenbezogener Daten auf den ausdrücklich festgelegten und rechtlich zulässigen Zweck.
 
Jede Weiterverarbeitung zu anderen Zwecken – insbesondere zu personalwirtschaftlichen, leistungsbezogenen, statistischen oder kontrollbezogenen Zwecken – ist unzulässig und stellt einen erheblichen Verstoß gegen die DS-GVO dar, der gemäß Art. 83 Abs. 5 Buchst. a DS-GVO mit einem Bußgeld von bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu 4 % des weltweit erzielten Jahresumsatzes geahndet werden kann.
 
Zur Erfüllung der Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DS-GVO sind im Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten (VVT) die erforderlichen gesonderten Verarbeitungstätigkeiten anzulegen, die u. a. Zweck, Kategorien der verarbeiteten Daten, betroffene Personengruppen, Empfänger, Löschfristen und Schutzmaßnahmen dokumentieren. Dadurch wird die Einhaltung der Zweckbindung überprüfbar und die datenschutzrechtliche Verantwortung des Arbeitgebers transparent nachgewiesen.
 
Der Datenschutz ist ein wesentlicher Bestandteil der Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie in die betriebliche Praxis. Die Verarbeitung von Entgeltdaten betrifft regelmäßig personenbezogene Daten und teilweise auch besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 DS-GVO.
 
Arbeitgeber sind daher verpflichtet, Datenschutzorganisation, interne Prozesse sowie technische und organisatorische Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen, an die Anforderungen der DS-GVO anzupassen und insbesondere die Grundsätze der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c), Integrität und Vertraulichkeit (Art. 5 Abs. 1 Buchst. f) sowie der Rechenschaftspflicht (Art. 5 Abs. 2) strikt einzuhalten, um eine rechtssichere und nachvollziehbare Verarbeitung der sensiblen Entgeltdaten dauerhaft zu gewährleisten.

Was jetzt im Personalbereich zu tun ist

Angesichts der bevorstehenden Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie in nationales Recht besteht für den Personalbereich dringender Handlungsbedarf. Die Personalabteilung sollte frühzeitig von der Geschäftsleitung über die erforderlichen Maßnahmen informiert und in die Umsetzungsplanung eingebunden werden, um interne Prozesse, Vergütungsstrukturen, Entgeltberichte und Dokumentationspflichten rechtzeitig an die neuen gesetzlichen Vorgaben anzupassen.
 
Dazu gehören insbesondere die Überprüfung bestehender Entgeltsysteme, die Anpassung interner Richtlinien und Zuständigkeiten, die Schulung der verantwortlichen Führungskräfte sowie die enge Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten, um die Anforderungen der DS-GVO und des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) gleichermaßen zu erfüllen.

Was jetzt im betrieblichen Datenschutz zu tun ist

Parallel zu den geplanten Maßnahmen im Personalbereich sollten Datenschutzbeauftragte zusammen mit ihrem Team umgehend die erforderlichen Schritte im Bereich des betrieblichen Datenschutzes planen, vorbereiten und danach umsetzen.
 
Dazu gehört als erster zentraler Schritt, die für das Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten (VVT) erforderlichen neuen Verarbeitungsvorgänge im Zusammenhang mit Entgelttransparenz, den erweiterten Berichtspflichten und den geplanten internen Prüfverfahren sorgfältig zu ermitteln, umfassend zu dokumentieren und vollständig in die bestehende Systematik aufzunehmen, damit eine transparente, nachvollziehbare und rechtssichere Grundlage für alle weiteren Umsetzungsschritte geschaffen wird.
 
Im Anschluss ist die Datenschutzdokumentation im Datenschutzhandbuch (DSHB) zu überprüfen und – soweit erforderlich – zu ergänzen oder anzupassen. Zudem ist zu prüfen, ob eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) gemäß Artikel 35 DS-GVO erforderlich ist. Diese Prüfung kann erst erfolgen, wenn die entsprechenden Verarbeitungstätigkeiten vollständig beschrieben sind.
 
Falls eine DSFA erforderlich ist, müssen die notwendigen Bewertungsschritte vorbereitet und dabei sowohl die Kriterien nach Artikel 35 Absatz 3 DS-GVO als auch die einschlägigen Positiv- und Negativlisten der Datenschutzaufsichtsbehörden berücksichtigt werden. Abschließend sind die aus datenschutzrechtlicher Sicht erforderlichen Schulungsunterlagen, Handreichungen und internen Informationsmaterialien auszuarbeiten.

Fazit

Die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/970) wird Unternehmen vor weitreichende organisatorische, rechtliche und datenschutzrechtliche Herausforderungen stellen. Die neuen Transparenz-, Auskunfts- und Berichtspflichten greifen tief in bestehende Vergütungs- und HR-Prozesse ein und machen eine umfassende Überprüfung der internen Entgeltstrukturen zwingend erforderlich. Gleichzeitig erhöhen die vorgesehenen Sanktionen und die Beweislastumkehr das rechtliche Risiko für Arbeitgeber erheblich.
 
Unternehmen sollten daher keine Zeit verlieren, und bereits jetzt mit den notwendigen Vorbereitungen beginnen. Dazu gehören insbesondere die frühzeitige Einbindung der Geschäftsleitung, die enge Abstimmung zwischen HR und Datenschutz, die Erweiterung der Datenschutzdokumentation, die Überarbeitung bestehender Richtlinien sowie die Qualifizierung der verantwortlichen Führungskräfte.
 
Nur wer diese Aufgaben rechtzeitig angeht, wird die neuen gesetzlichen Anforderungen fristgerecht erfüllen, Haftungsrisiken vermeiden und die eigene Vergütungsstruktur nachhaltig stärken können. Die Entgelttransparenzrichtlinie ist kein rein formaler Compliance-Akt – sie wird die Vergütungssysteme in vielen Unternehmen grundlegend verändern. Jetzt zu handeln ist daher nicht nur gesetzliche Pflicht, sondern ein strategischer Wettbewerbsvorteil.
 
Hinweis: Diese Information bietet einen ersten Überblick über die bevorstehenden umfangreichen gesetzlichen Änderungen des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) - siehe Anmerkung - sowie über die daraus resultierenden Anforderungen für den betrieblichen Datenschutz gemäß der DS-GVO, dem BDSG und Artikel 12 der EU-Entgelttransparenzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/970). Weitere Beiträge sind in Vorbereitung!
 
Anmerkung
Rechtsexperten gehen derzeit davon aus, dass der Gesetzgeber zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/970 das bestehende Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) umfassend ändern wird; eine komplett neue Gesetzgebung ist zwar möglich, gilt aber aus heutiger Sicht als weniger wahrscheinlich.